LORCA

Lorca.Passion and sensuality – that’s what Marguerite Donlon’s “Lorca” is about.

By Anika Sterna. NOZ

Praise for Marguerite Donlon’s “Lorca” for its poignant exploration of Federico Garcia Lorca’s life and emotions through dance. Donlon weaves together Lorca’s poems and letters, creating a blend of dreamlike sequences and reality. The minimalist set design, primarily using light and poetic video projections, enhances the emotional depth of the performance. Costumes differentiate between dream and reality, with the lead dancer representing Lorca and others embodying his imaginations. The choreography evokes feelings of loneliness, longing, and intimacy, incorporating elements of Spanish dance like flamenco gestures. The ensemble’s captivating performance, supported by Michio Woirgardt’s music, immerses the audience in Lorca’s journey of fears, hopes, loves, and disappointments. Despite its abstract nature, the dance piece resonates as a portrayal of Lorca’s life. The premiere audience applauds enthusiastically, recognizing the brilliance of the ensemble, Donlon, and the musicians involved.

KRITIK

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Marguerite Donlons neuer Tanzabend „Lorca“

Ausgehend von Gedichten und Briefzitaten verwebt Marguerite Donlon Leben und Gefühlswelt Lorcas zu einem umjubelten Abend puren Tanzes.

HANNS BUTTERHOF – OSNABRÜCK, 24/03/2023

Mit dem Klappern von Kastagnetten und einer klassisch gezupften spanischen Gitarre beginnt sehr vertraut Marguerite Donlons Uraufführung „Lorca“ im Theater am Domhof. Weniger vertraut sind wir heute mit Werk und Leben des 1898 in Andalusien geborenen und 1936 von spanischen Faschisten ermordeten Federico Garcia Lorca, der ihnen als avantgardistischer linker Homosexueller verhasst war. Ausgehend von einigen seiner Gedichte und Briefzitaten verwebt Marguerite Donlon Leben und Gefühlswelt Lorcas zu einem umjubelten Abend puren Tanzes.

„Lorca“ ist keine getanzte Biographie, Lebenswelt und Gefühlswelt Lorcas durchdringen sich in den Szenen. Traumbilder und Wirklichkeit fließen ineinander. Als Kulisse dienen nur Licht (Ausstattung: Marguerite Donlon, Lichtdesign: Ernst Schießl), hintergründig poetische Videoprojektionen (Lieve Vanderschaeve) und nahezu keine Requisiten. Beispielhaft dafür ist die erste Szene, in der ein Tänzer vor einer weißen Wand liegt wie ein noch unbeschriebenes Blatt. Im Bühnennebel hat er seine Zukunft noch unklar vor sich. Wie eine Vision steht ihm eine Orange vor Augen, vielleicht Lorcas Traum von der Liebe Spaniens, den er sich erfüllen will.

Lorca Photo @ Bettina Stöß

Die Kostüme markieren den Traum- oder Biographie-Status der Szenen, zwei davon legen die entscheidenden Protagonist*innen fest: Der Anzugträger verkörpert den Dichter, Tänzerinnen in fleischfarbenen Trikots sind die nicht näher bestimmten Imaginationen Lorcas, wobei keine dieser Rollen an eine bestimmte Tänzerin oder einen einzigen Tänzer gebunden ist. Als etwa ein Tänzer als junger Lorca im dunklen Anzug aus dem Bühnennebel auftaucht, trägt er eine unbekleidet wirkende Tänzerin. Sie ist ihm stürmisch in seine Arme gesprungen. Doch dann stimmt etwas nicht, er lässt sie los, erstarrt, und sie lässt ihn allein; eine biographische Deutung als Absage Lorcas an heterosexuelle Liebe erscheint ebenso naheliegend wie die an herkömmliches Dichten und die Hinwendung zur Freiheit der Avantgarde.

Gefühle von Einsamkeit und Sehnsucht, Irritation und Innigkeit bestimmen wesentlich die Szenen mit weit ausholenden Bein- und Armbewegungen, artistischen Verdrehungen. Aus dem spanischen Bewegungsvokabular kommen Flamenco- und Stierkampf-Gesten der Hände und Arme sowie die überspannte Körperhaltung. Ohne durch die auf Spanisch gesungenen Gedichte (Esaul Llopis) und die flüchtigen, auf bodenlange Seidenschals projizierten Übersetzungen näher bestimmt zu werden, reihen sich die Szenen übergangslos, aber spannungsarm additiv aneinander. Große Ensembles sind selten, in Zweier- oder Dreier-Konstellationen aber finden sich starke Bilder, die bei großer tänzerischer Intensität viel Unbestimmtes behalten.

Die einzige mit Requisiten arbeitende Szene macht eine Ausnahme. Sie spielt in einem gut besuchten Lokal. Verzerrtes Stimmengewirr ist hörbar, Holzstühle werden zu Gesprächsgruppen zusammengerückt. Als sich zwischen zwei Männern eine nähere Beziehung aufbaut, werden sie von der Mehrheit der Gäste bedrängt und eine der Beiden mit Stühlen niedergemacht. Das Geräusch der hart auf den Boden gestoßenen Stuhlbeine lässt die brutalen Tritte der Schläger fühlen, unter denen sich das Opfer, immer wieder zusammenbrechend, davon schleppt.

Am Ende liegt Lorca tot auf dem Boden. Während aus dem Hintergrund verhalten eine Beethoven-Sonate anhebt (Klavier: Wladimir Krasmann) und so an Lorcas Liebe zum Klavierspiel erinnert, betrachtet ihn ätherisch leicht eine Tänzerin. Sie riecht an der Orange, und als sie unverständig über Lorcas Schicksal ihre Hände vors Gesicht schlägt, flattern von oben Seiten Papiers herunter; das Werk wird überleben, die Liebe Spaniens wird Lorca bleiben.

Unterstützt durch die Musik von Michio Woirgardt, der mit Flamenco und bedrohlichen Geräuschmischungen sensibel die Stimmung der Szenen mitbestimmt, fesselt der pure Tanz des siebenköpfigen Ensembles aus Ayaka Kamai, Kesi Rose Olley Dorey, Ambre Twardowski, Emanuela Vurro, Esaul Llopis, Borjan Micev und Richard Nagy das Publikum. Auch losgelöst von der Biographie Lorcas kann der Tanzabend als ein Lebenslauf mit seinen Ängsten und Hoffnungen, Lieben und Enttäuschungen erlebt werden.

Nach ohne Pause getanzten siebzig Minuten applaudiert das begeisterte Premierenpublikum stehend und lang anhaltend dem beeindruckend tanzenden Ensemble, Marguerite Donlon, den Musikern und allen an dem bewegenden Tanzabend Beteiligten.

Lorca Photo @ Bettina Stöß

BESETZUNG Tänzer:innen und Co-Choreograph:innen: Ayaka Kamei, Kesi Rose Olley Dorey, Ambre Twardowski, Emmanuela Vurro, Esaúl Llopis, Bojan Micev, Richard Nagy Lyrik und Gesang (spanisch): Esaúl Llopis Prosa (deutsch): Manuel Zschunke Klavier: Wladimir Krasmann

TEAM

Choreographie und Inszenierung, Bühne und Kostüme: Marguerite Donlon Komposition und Musikproduktion: Michio Woirgardt Video: Lieve Vanderschaeve Licht: Ernst Schießl Dramaturgie Tanz: Britta Horwath Dramaturgie Schauspiel: Julia Buchberger Ausstattungsassistenz: Margarita Bock Inspizienz: Luisa Rubel Theaterpädagogische Betreuung: Laura Markurth Bühnenmeister: Thomas Niemeyer Ton: Manuel Sieg Beleuchtung: Julian Rickert Requisite: Volker Witte Maske: Sylke Schmidt Garderobe Damen: Birgitt Tabor, Naomi Michel Garderobe Herren: Dirk Böß Vorschaufoto: Bettina Stöß